Offener Brief islamischer Gelehrter an Papst Benedikt XVI.
38 namhafte Gelehrte aus der ganzen islamischen Welt schrieben am 12. Oktober 2006 einen offenen Brief an Papst Benedikt
XVI., in dem sie auf seine Rede an der Universität Regensburg reagierten. Zu den Unterzeichnern gehören die Großmuftis aus neun islamischen Staaten und wichtige Religionsgelehrte aus weiteren
zehn Staaten, darunter auch Saudi-Arabien und Iran. Der Brief erschien in englischer Sprache im Internet auf der Seite IslamicaMagazine. Er ist dort mittlerweile als pdf-Datei in Deutsch, Arabisch, Italienisch, Albanisch, Französisch, Russisch und Spanisch herunterzuladen >>. Von den Medien erhielt der Brief weitaus weniger
Aufmerksamkeit als die zum Teil gewaltsamen Demonstrationen vom September 2006. Insbesondere von der inhaltlichen Kritik an der in der Rede enthaltenen Darstellung des Islams wurde kaum
berichtet, in den Vordergrund wurde gestellt, dass die Gelehrten das Bedauern des Papstes akzeptierten.
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen.
Friede und Segen seien mit dem Propheten Mohammed.
Offener Brief an Seine Heiligkeit, Papst Benedikt XVI
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen. „Und streitet mit den Angehörigen der Schriftreligionen nur in
bester Weise...“ (Koran, Sure mit der Spinne, 29:46)
Seine Heiligkeit, in Bezug auf Ihre Vorlesung an der Universität Regensburg am 12. September 2006 halten wir es im
Geiste einer offenen Auseinandersetzung für angebracht, ihre Bezugnahme auf einen Dialog des gelehrten byzantinischen Kaisers Manuel II Paleologus mit einem „gebildeten Perser“ zum Anlaß zu
nehmen für einige Betrachtungen über die Beziehung zwischen Vernunft und Glauben. Begrüssen wir zwar Ihre Bemühungen, sich der Vorherrschaft positivistischer und materialistischer Denkweisen
im menschlichen Leben entgegenzustellen, müssen wir doch auf einige Fehler hinweisen, die Ihre Darstellung des Islam als Kontrapunkt einer korrekten Anwendung menschlicher Vernunft enthält,
als auch auf Irrtümer in den Argumenten, mit denen Sie Ihre Behauptung stützen.
Es gibt keinen Zwang im Glauben In Ihren Ausführungen heißt es, daß Kennern zufolge der Vers „Es gibt keinen Zwang im
Glauben.“ (Sure mit der Kuh, 2:256) in die Anfangszeit des Islam einzuordnen sei, in der der Prophet noch „machtlos und bedroht“ gewesen sei. Dies ist nicht richtig. Vielmehr ist man sich
einig, daß dieser Vers in jene Phase koranischer Offenbarung einzuordnen ist, in der die neugeschaffene muslimische Gesellschaft politisch und militärisch zu erstarken begann. So stellte „Es
gibt keinen Zwang im Glauben.“ keineswegs den Befehl dar an Muslime, ihrem Glauben treu zu bleiben angesichts des Wunsches ihrer Unterdrücker, sie zum Abfall von ihrem Glauben zu zwingen. Er
war vielmehr eine Ermahnung an die Muslime selbst, die nun an die Macht gelangt waren, daß sie die Herzen anderer nicht zum Glauben zwingen konnten. „Kein Zwang im Glauben“ richtet sich an
Menschen, die an der Macht sind, nicht an solche, die unterdrückt sind. Aus den frühesten Koranerläuterungen wie jener von Al-Tabari geht hervor, daß einige Muslime in Medina ihre Kinder
zwingen wollten, vom Judentum oder vom Christentum zum Islam überzutreten. Dieser Vers bezog sich darauf und wies diese Muslime an, Ihre Kinder nicht zum Übertritt zum Islam zu zwingen.
Darüber hinaus sind Muslime von Versen geleitet wie: „Und sag: Es ist die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll den Glauben verweigern.” (Sure mit
der Höhle, 18:29) und „Sag: O ihr, die ihr den Glauben verweigert habt! Ich ordne mich nicht dem unter, dem ihr euch unterordnet. Und ihr ordnet euch nicht dem unter, dem ich mich unterordne.
Und ich werde mich auch nicht dem unterordnen, dem ihr euch untergeordnet habt. Und ihr ordnet euch nicht dem unter, dem ich mich unterordne. Euch eure Religion, und mir die meine.“ (Sure mit
denen, die den Glauben verweigern 109:1-6)
Gottes Transzendenz In Ihrem Vortrag sagten Sie unter anderem, für die muslimische Lehre sei Gott „absolut transzendent“, eine
Vereinfachung, die irreführend sein kann. Wohl heißt es im Koran „Nichts ist Ihm gleich.“ (Sure mit der Beratung, 42:11), doch in anderen Versen heißt es: „Gott ist das Licht der Himmel und
der Erde.“ (Sure mit dem Licht, 24:35), „Wir sind ihm näher als seine Halsschlagader.“ (Sure mit Qaf, 50:16), „Er ist Der Erste und Der Letzte, Der Offenbare und Der Verborgene.“ (Sure mit
dem Eisen, 57:3), „Er ist mit euch, wo immer ihr auch seid.“ (Sure mit dem Eisen, 57:4) und „Wohin ihr euch auch immer wendet, dort ist Gottes Angesicht.“ (Sure mit der Kuh, 2:115). Zudem sei
ein Ausspruch des Propheten angeführt, demzufolge Gott sagt: „Wenn
ich meinen Diener liebe, bin ich das Ohr, mit dem er hört, das Auge, mit dem er sieht, die Hand, mit der er greift und der Fuß, mit dem er geht.“ (Sahih Al Bukhari no. 6502, Kitab al-Riqaq)
In der spirituellen, theologischen und philosophischen Tradition des Islam wird die Persönlichkeit des von Ihnen angeführten Denkers Ibn Hazm (verst. 1069) zwar geschätzt, doch nimmt er
eine völlig marginale Rolle ein, da er der Thahiri-Rechtsschule angehörte, die in der heutigen islamischen Welt nicht mehr praktiziert wird. Auf der Suche nach klassischen Definitionen der
Lehre von Gottes Transzendenz sind zum Beispiel Al-Ghazali (verst.1111) und andere Gelehrte von wesentlich größerer Bedeutung, hatten bei weitem mehr Einfluß und repräsentieren den
islamischen Glauben viel eher als Ibn Hazm. Sie führen eine Quelle an, derzufolge der Kaiser als „einem in griechischer Philosophie aufgewachsenem Byzantiner“ die Auffassung, daß Gott „
keinen Gefallen hat am Blut“ „evident“ sei, und stellen die islamische Lehre von Gottes Transzendenz als dem entgegengesetzt dar. Zu behaupten, für Muslime sei Gottes Wille „an keine unserer
Kategorien gebunden“, ist ebenfalls eine Vereinfachung, die zu einem falschen Verständnis führen mag. Gott hat im Islam viele Namen, so zum Beispiel „Der Barmherzige“, „Der Gerechte“, „Der
All-Hörende“, „Der All-Sehende“, „Der All-Wissende“, „Der Liebevolle“ und „Der Nachsichtige“. So hat die tiefe Überzeugung der Muslime von der Einheit Gottes und daß „niemand Ihm jemals
gleich“ ist (Sure mit der aufrichtigen Ergebung, 112: 4) nicht dazu geführt, daß Muslime verleugnet hätten, daß Gott sich selbst diese Eigenschaften zuschreibt wie auch (einigen) seiner
Geschöpfe. (Wir gehen hier auf den Begriff der „Kategorien“ nicht näher ein, einen Begriff, der in diesem Zusammenhang einer ausführlichen Klärung bedürfte.) Da es hier um Gottes Willen geht,
heißt die Schlußfolgerung, die Muslime glaubten an einen Willkür-Gott, der uns auch Schlechtes befehlen kann, vergessen, daß Gott im Koran sagt: „Gott gebietet gerecht zu sein, Gutes zu tun
und dem Verwandten zu geben, und Er verbietet das Schändliche, das Verwerfliche und Gewalttätigkeit. Er ermahnt euch, damit ihr daran denken möget.“ (Sure mit der Biene, 16:90) Außerdem wurde
hier übersehen, daß Gott im Koran sagt: „Er hat sich selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben.“ (Sure mit dem Vieh, 6:12, auch 6:54) und daß Gott im Koran sagt: „Meine Barmherzigkeit umfaßt
alles.“ (Sure mit den Höhen, 7:156) Das Wort für Barmherzigkeit, rahmah, kann auch übersetzt werden mit Liebe, Güte und Mitgefühl. Von diesem Wort kommt die heilige, von Muslimen täglich
benutzte Formel „Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen.“ Ist es nicht selbstverständlich, daß das Vergießen unschuldigen Blutes Barmherzigkeit und Liebe widerspricht?
Der Gebrauch der Vernunft Die islamische Geisteswissenschaft ist reich an Studien über das Wesen menschlicher Vernunft und deren Beziehung zu Gottes Wesen und Seinem Willen. Dazu
gehört auch die Frage danach, was als selbstverständlich zu betrachten ist und was nicht. Dennoch gibt es im islamischen Denken die Trennung zwischen „Vernunft“ auf der einen Seite und
„Glauben“ auf der anderen Seite in dieser Form nicht. Vielmehr haben die Muslime auf eigene Weise verstanden, sowohl Stärke als auch Beschränktheit menschlicher Intelligenz zu begreifen,
indem sie die Existenz verschiedener Stufen des Wissens erkannt haben, wobei die Vernunft eine zentrale Rolle spielt. Es gelang den muslimischen Geisteswissenschaftlern im allgemeinen, zwei
Extrempositionen zu vermeiden: Weder wurde das analysierende menschliche Denken zum obersten Richter über die Wahrheit gemacht, noch wurde dem menschlichen Denken die Fähigkeit abgesprochen,
sich mit Existenzfragen zu befassen. Und was noch wichtiger ist: In den ausgereiftesten Hauptrichtungen der islamischen Gesteswissenschaft gelang es den Muslimen über Jahrhunderte hinweg, die
Wahrheiten der koranischen Offenbarung und die Ansprüche menschlicher Vernunft miteinander in Einklang zu bringen, ohne daß sie das eine dem anderen geopfert hätten. Gott sagt: „Wir werden
ihnen unsere Zeichen zeigen an den Horizonten und in ihnen selbst, bis ihnen klar wird, daß es die Wahrheit ist.“ (Sure mit dem ausführlich erklärten, 41:53) Vernunft als solche ist eines der
vielen Zeichen in uns, die zu betrachten Gott uns auffordert, und die wir bei unseren Betrachtungen benutzen sollen, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen.
Was ist „Heiliger Krieg“? Wir möchten betonen, daß der Begriff des „Heiligen Krieges“ in islamischen Sprachen nicht existiert. Djihad, das muß ausdrücklich erklärt werden, bedeutet
Einsatz, Engagement, Sich-Anstrengen, und insbesondere sich einzusetzen auf dem Wege Gottes. Wenn Djihad nun auch insofern heilig sein mag, als er auf ein heiliges Ziel gerichtet ist, so ist
er nicht notwendigerweise ein „Krieg“. Außerdem ist bemerkenswert, daß Manuel II Paleologus sagt, Gewalt widerspreche Gottes Wesen, setzte doch Christus selbst Gewalt ein gegen die
Geldwechsler im Tempel und sagte: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert...“(Matthäus 10:34-36)
Als Gott Pharao ertrinken ließ, widersprach Er da seinem eigenen Wesen? Vielleicht wollte der Kaiser ja sagen, daß Grausamkeit, Brutalität und Feindseligkeit Gottes Willen widersprechen,
wobei das klassische geisteswissenschaftliche Konzept des Islam absolut mit ihm einig wäre. Sie sagen, der Kaiser habe „die Anweisungen zum Heiligen Krieg, die später entstanden und dann im
Koran aufgezeichnet worden“ seien, „sehr wohl gekannt.“ Doch wie wir bereits oben im Zusammenhang mit dem Vers „Es gibt keinen Zwang im Glauben.“ ausgeführt haben, sind die genannten
Anweisungen keineswegs später entstanden. Darüber hinaus beweisen die Behauptungen des Kaisers über Zwangsbekehrung, daß er nicht wußte, worin diese Anweisungen bestehen und schon immer
bestanden haben. Die maßgebenden überlieferten islamischen Regeln für Kriegsführung lassen sich in den folgenden Grundprinzipien zusammenfassen:
1. Zivilisten dürfen nicht das Ziel
militärischer Aktion sein. Das wurde ausdrücklich immer wieder vom Propheten, seinen Gefährten und allen nachfolgenden Gelehrten betont. 2. Niemand wird allein aufgrund seiner religiösen
Überzeugung angegriffen. Die muslimische Urgemeinde kämpfte gegen Heiden, die sie aus ihren Häusern vertrieben, sie verfolgt, gefoltert und ermordet hatten. Spätere islamische Eroberungen
waren von politischem Charakter. 3. Muslime können und sollen friedlich mit ihren Nachbarn zusammenleben. Das schließt jedoch legitime Selbstverteidigung und Bewahrung der eigenen
Souveränität nicht aus.
Diese Regeln sind für Muslime genauso bindend wie das Verbot von Diebstahl und Ehebruch. Wenn eine Religion Regeln vorschreibt für die Kriegsführung und die
Bedingungen festlegt, unter welchen Umständen die Kriegsführung notwendig und gerecht ist, macht dies diese Religion genausowenig zu einer kriegsliebenden Religion, wie die Regulierung von
Sexualität eine Religion sexlüstern macht. Wurde zuweilen dieses alte, wohletablierte Verständnis mißachtet und gegen utopische Träume ausgetauscht, wo das Ziel die Mittel heiligte, geschah
dies auf eigene Verantwortung und konnte man sich nicht auf Gott, seinen Propheten oder die Gelehrten berufen. In diesem Zusammenhang müssen wir erklären, daß die Ermordung einer unschuldigen
Nonne in Somalien am 17. September und ähnliche willkürliche Gewalttaten als Reaktion auf Ihre Vorlesung an der Universität Regensburg gänzlich unislamisch waren und wir derartige Taten
grundsätzlich verurteilen.
Zwangsbekehrung Die Behauptung, Muslimen sei befohlen, ihren Glauben „mit dem Schwert“ zu verbreiten, ist unhaltbar. Zwar war der Islam als
politisches Gebilde zum Teil wohl durch Eroberung verbreitet worden, aber der weitaus größere Teil seiner Ausbreitung war das Ergebnis predigender und missionarischer Tätigkeit. Die
islamische Lehre schrieb nicht vor, die Bevölkerung der eroberten Gebiete zum Eintritt in den Islam zu zwingen. In der Tat blieben viele Gebiete, die die Muslime früh eroberten,
jahrhundertelang überwiegend nicht-muslimisch. Hätten die Muslime alle anderen mit Gewalt bekehren wollen, wäre keine Kirche und keine Synagoge in der islamischen Welt erhalten geblieben. Das
Gebot „Es gibt keinen Zwang im Glauben.“ hat heute dieselbe Bedeutung wie einst. Lediglich die Tatsache, daß eine Person nicht Muslim ist, war im islamischen Gesetz und Glauben niemals ein
casus belli. Wie auch hinsichtlich der Regeln für die Kriegsführung, zeigt die Geschichte, daß einige Muslime islamische Werte verletzt haben was Zwangsbekehrung und die Behandlung anderer
Religionsgemeinschaften angeht, doch die Geschichte zeigt auch, daß dies bei weitem die Ausnahme war, die die Regel bestätigt. Wir sind von ganzem Herzen überzeugt, daß es Gott keinesfalls
wohlgefällig ist, andere gewaltsam zum Glauben zu bewegen, wenn dies überhaupt möglich wäre, und daß Gott keinen Gefallen hat am Blut. In der Tat glauben wir, und glaubten die Muslime
schon immer, daß „Wer ein menschliches Wesen tötet, es sei denn als Vergeltung für Mord oder für das Stiften von Verderben im Land“, dies ist, „als habe er die gesamte Menschheit getötet.“
(Sure mit der Speisetafel, 5:32)
Etwas Neues? Sie zitieren die Behauptung des Kaisers, daß in dem, was Mohammed „an Neuem“ gebracht habe, nur „Schlechtes und Inhumanes“ zu
finden sei, wie dies, daß er vorgeschrieben habe, „den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Was der Kaiser nicht begriffen hatte - abgesehen von der Tatsache, daß es
ein solches Gebot im Islam niemals gegeben hatte- war, daß der Prophet niemals den Anspruch erhoben hatte, etwas grundlegend Neues zu bringen. Gott sagt im Heiligen Koran: „Es wird dir nur
das gesagt, was schon den Gesandten vor dir gesagt wurde.“ (Sure mit dem ausführlich erklärten, 41:43) und „Sag: Ich bin kein Neubeginn unter den Gesandten, und ich weiß nicht, was mit mir,
und auch nicht, was mit euch geschehen wird. Ich folge lediglich dem, was mir offenbart wird, und ich bin nur ein deutlicher Warner.“ (Sure mit den Dünen, 46:9) Also kann keine religiöse
Gemeinschaft den Glauben an den Einen Gott für sich allein in Anspruch nehmen. Nach islamischem Glauben predigten alle wahren Propheten verschiedenen Völkern zu verschiedenen Zeiten ein und
dieselbe Wahrheit. Die Gesetze mochten sich ändern, doch die Wahrheit blieb unverändert. Die „Kenner“ An einer Stelle beziehen Sie sich allgemein auf die „Kenner“ (des Islam) und nennen dann
auch namentlich zwei katholische Gelehrte, Professor Theodore Khoury und Roger Arnaldez. Es genügt uns hier zu erklären, daß Muslime zwar durchaus der Meinung sind, daß es sympathisierende
Nicht-Muslime und Katholiken gibt, die man wirklich als Kenner des Islam betrachten kann. Aber die Kenner, auf die Sie sich hier beziehen, haben Muslime unseres Wissens niemals anerkannt als
Vertreter der Muslime und deren Ansichten. Am 25.September 2006 wiederholten Sie die bedeutungsvolle Erklärung, die Sie am 20.August 2005 in Köln abgegeben hatten und derzufolge der
interreligiöse und der interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen nicht vernachlässigt werden dürfe. Er sei vielmehr „eine Lebensnotwendigkeit, von der unsere Zukunft in weitem
Maße abhängt.“ Hier haben Sie unsere volle Zustimmung, doch sind wir der Meinung, daß ein großer Teil des interreligiösen Dialoges in dem Bemühen bestehen muß, die Stimmen jener zu hören und
zu beachten, mit denen man den Dialog führen will, und nicht nur die Stimmen jener, die der eigenen Überzeugung angehören.
Christentum und Islam Christentum und Islam sind
die beiden Religionen, die auf der Welt und in der Geschichte die größte Ausbreitung gefunden haben. Christen und Muslime machen jeweils mehr als ein Drittel und mehr als ein Fünftel der
Menschheit aus. Zusammen betragen sie über 55% der Weltbevölkerung, was bedeutet, daß die Beziehung dieser beiden Religionsgemeinschaften zueinander den wichtigsten Bestandteil für einen
wahren Frieden auf der Welt darstellt. Als das Haupt von über einer Billion Katholiken und als moralisches Vorbild für viele Menschen auf der ganzen Welt liegt es ohne jeden Zweifel an Ihnen
als einer Person, deren Einfluß einzigartig ist, diese Beziehung in Richtung eines gegenseitigen Verständnisses weiterzuführen. Wir teilen Ihren Wunsch nach einem offenen, ehrlichen Dialog
und sind uns dessen Bedeutung bewußt in einer Welt, in der die Menschen verschiedener Länder zunehmend aufeinander angewiesen sind. Auf der Grundlage eines solchen ehrlichen, offenen Dialoges
hoffen wir, friedliche nachbarschaftliche Beziehungen weiterentwickeln zu können, die auf gegenseitiger Achtung, Gerechtigkeit und unserer im wesentlichen gemeinsamen abrahamitischen
Tradition gegründet sein mögen, insbesondere auf die „beiden größten Gebote“ im Markus- Evangelium 12;29-31 (und in abgewandelter Form im Matthäus-Evangelium 22:37-40): „Der Herr unser Gott
ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst
deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“ Von daher finden die folgenden Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils die Zustimmung der Muslime:
„Auch hat die Kirche große Achtung vor den Muslimen. Sie dienen dem einen, lebendigen, beständigen, barmherzigen, allmächtigen Gott, dem Schöpfer von Himmel und Erde, der zu den Menschen
gesprochen hat. Sie unterwerfen sich ohne Vorbehalt den Geboten Gottes, wie Abraham sich Gottes Plan unterwarf, auf dessen Glauben sich die Muslime berufen. Wenn sie auch Jesus nicht als Gott
anerkennen, so verehren sie ihn doch als einen Propheten, ebenso ehren sie seine jungfräuliche Mutter und flehen sie sogar bisweilen an. Darüberhinaus erwarten sie den Tag des Jüngsten
Gerichts und die Belohnung Gottes nach der Auferstehung der Toten. So findet ein rechtschaffenes Leben ihre höchste Wertschätzung und dienen sie Gott insbesondere mit Gebeten, Almosen und
Fasten.“ (Nostra Aetate, 28.Oktober 1965) Und ebenso die späten Worte des Papstes Johannes Paul II, dem von vielen Muslimen großer Respekt und hohe Achtung entgegengebracht wurde: „Wir
Christen freuen uns, die religiösen Werte, die wir mit dem Islam gemein haben, festzustellen. Ich möchte heute wiederholen, was ich vor einigen Jahren zu jungen Muslimen in Casablanca gesagt
habe: „Wir glauben an denselben Gott, den einen Gott, den lebendigen Gott, den Gott, der die Welten geschaffen hat und seine Geschöpfe zur Vollkommenheit führt.“ (Insegnamenti, 1985, S. 497,
zitiert bei einer Audienz am 5.Mai 1999.“ Darüberhinaus haben wir als Muslime ihre unvorhergegangene persönliche Erklärung des Bedauerns mit Wertschätzung zur Kenntnis genommen, ebenso wie
Ihre Erklärung (am 17.September), in der Sie versichern, daß das Zitat nicht ihre eigene persönliche Meinung widergibt, wie auch das Bekenntnis von Kardinalstaatssekretär Tarcisio
Bertone (am 16.September) zur Konzilsdeklaration Nostra Aetate. Zudem haben wir als Muslime mit Wertschätzung zur Kenntnis genommen, daß Sie (am 25. September) vor einer Versammlung von
Botschaftern verschiedener muslimischer Staaten ihren „tiefen Respekt für alle Muslime“ zum Ausdruck brachten. Wir hoffen, daß sich eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit vermeiden
läßt und wir in Zukunft in Frieden, Toleranz und gegenseitiger Achtung werden zusammenleben können.
Und alles Lob gebührt Gott, und es gibt keine Kraft noch Macht außerhalb Gottes
Willen.
Unterzeichnet von:
1. Abu Bakr Ahmed Al Milibari, Generalsekretär der Vereinigung Ahl Al-Sunna, Indien
2. Ahmed Al Kobeisi, Gründer des Gelehrtenrates, Iraq
3. Scheich Dr. Ahmed Badr Ad-Din Hassun, Großmufti der Arabischen Republik Syrien
4. Scheich Ahmed Bin Hamd Al-Khalili, Großmufti des Sultanats Oman
5. Scheich Ahmed Haschim Musadi, Vorsitzender der Nehdat Al-Ulama, Indonesien
6. Prof. Dr. Sejid Husein Nasr,
Professor für Islamische Studien, George-Washington-Universität, Washington D.C., USA
7. Scheich Hamza Yusuf Hanson, Gründer und Leitung des Institute Zaytuna, Kalifornien, USA
8. Scheich Sevki Omarbasic, Großmufti von Kroatien
9. Dr.Tariq Sweidan, Generaldirektor des Fernsehsenders Ar-Risala, Kuweit
10. Scheich Abd-al Hakim Murad Winter, Dozent für
Islamische Studien, Universität Cambridge und Vorsitzender der Muslim Academic Trust, U.K.
11. Dr.Abd Al-Aziz Uthman At-Tweiyri, Generaldirektor der Islamischen
Vereinigung für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, ISESCO, Marokko
12. Dr. Mulay Abd Al-Kabir Al-Alawi Al-Mudghari, Generalvorsitzender der Vereinigung Beit Mal Al-Quds Asch-Scharif
und vormals Minister für Islamische Angelegenheiten, Marokko
13. S.E. Allama Abdullah Bin Mahfuz Bin Bajjah, Professor an der König Abdul- Aziz-Universität in Saudiarabien, vormals
Vize-Präsident, Justizminister, Bildungsminister und Minister für Islamische Angelegenheiten, Mauritanien
14. Dr. Abla Mohammed Al-Kahlawi, Dekan an der Fakultät für Islamische und
Arabische Studien, Frauenbereich Al-Azhar-Universität, Ägypten
15. Dr. Izz Ad-Din Ibrahim, Berater für Kulturelle Angelegenheiten, Ministerpräsidium, E.A.U.
16. S.E.
Al-Habib Ali Meschhur Bin Mohammed Bin Salim Bin Hafiz, Vorbeter in der Tarim–Moschee und Vorsitzender des Fetwa-Rates Tarim, vormals Leiter des Dar al Mustafa für Islamische Studien und
Dozent an der Fakultät für Islamische Rechtssprechung, Tarim, Jemen
17. S.E. Prof. Dr. Ali Yum-a, Großmufti der Republik Ägypten
18. Al-Habib Ali Zein Al-Abidin Bin Abdurrahman
Al-Jefri, Gründer und Leiter des Taba-Instituts, Jemen
19. S.E. Al-Habib Omar Bin Mohammed Bin Salim Bin Hafiz, Dekan Dar Al-Mustafa für Islamische Studien, Tarim, Jemen
20.
Prof. Dr. Mohammed Jah, Sekretär des Muslim Scholars Council, Professor für Islamische Kultur und Islamisches Denken, Universität Gambia
21. S.H. Prof. Dr. Prinz Mohammed Bin Ghazi Bin
Talal, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Stiftung Ali Al-Beit für Islamisches Denken, Jordanien
22. Prof. Dr. Faruq Hamadah, Universität Mohammed V, Marokko
23. Scheich
Mohammed Iqbal Sullam, Zweiter Generalsekretär der Nehdat Al-Ulama, Indonesien
24. S.E. Scheich Mohammed As-Sadeq Mohammed Jusuf, Großmufti Uzbekistan
25. Dr. Mohammed Alwani
Asch-Scharif, Vorsitzender der Akademie für Islamische Kulturwissenschaft Brüssel, Belgien
26. Sejjid Mohammed Bin Mohammed Al Mansur, Autorität der Zaidi- Muslime,Jemen
27.
S.E. Justiz-Mufti Mohammed Taqi Uthmani, Vize-Präsident des Dar Al-Ulum, Karachi, Pakistan
28. S.E. Scheich Mohammed Abdullah Qaratschai, Vize-Großmufti Rußland
29. Prof. Dr.
Allama Mohammed Said Ramadan Al-Buti, Vorsitzender der Abteilung für Grundüberzeugungen und Religionen Universität Damaskus, Syrien
30. Prof. Dr. Mohammed Abul Ghaffar Asch-Scharif,
Generalsekretär des Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten, Kuweit
31. S.E. Ayatollah Mohammed Ali Tas-chiri, Generalsekretär der Weltorganisation für die Verständigung
verschiedener Rechtsschulen (WAPIST), Iran
32. Prof. Dr. Mohammed Haschim Kamali, Dekan der Internationalen Akademie für Islamische Kultur und Geisteswissenschaft (ISTAC), Professor
für Islamische Rechtssprechung und Rechtslehre an der Internationalen Islamischen Universität Malaysia
33. S.E. Prof. Dr. Scheich Mustafa Ceric, Großmufti Bosna-Herzog
34. S.E. Prof. Dr. Mustafa Cagrici, Großmufti von Istanbul, Türkei
35. S.E. Scheich Mu-ammar Zukoulic, Mufti des Sanjac, Bosna-Herzog
36. S.E. Scheich Nezdad Grabus, Großmufti Slowenien
37. S.E, Scheich Na-im Trnava, Großmufti Kosovo
38. S.E. Scheich Nuh Ha Mim Keller, Scheich der Tariqat Asch-Schadhilija und
Senior-Mitglied der Stiftung Ali Al-Beit für Islamisches Denken in Jordanien, USA
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